Es ist eine harte Welt, dieses fiktive Fantasy-Japan, das Lian Hearn ihren Lesern schildert: Kriegsherren nehmen kleine Kinder als Geiseln. Frauen üben sich heimlich im Schwertkampf und verstecken für den Fall der Fälle winzige Stichwaffen im Kimono-Ärmel. Liebespaare schwören einander: „Versprich mir, dich nicht umzubringen, ehe du mich nicht tot gesehen hast“.
Takeo, ein Bauernjunge, muss mit ansehen, wie fremde Krieger in seinem Dorf ein Massaker veranstalten. Er selbst kann entfliehen – und läuft direkt in die Arme einer lebenden Legende: Shigeru, der Anführer des ehrenwerten Krieger-Clans der Otori, wird zu seinem Beschützer und Mentor. Ihm verdankt Takeo die Aufnahme in den Clan, und von ihm lernt er auch, wie ein Krieger zu leben.
Aber Schwertkampf und Ehrenkodex sind nicht alles, was sich Takeo vom eigenen Leben erhofft … Nicht nur widersprechen Kampf und Krieg dem, was seine Familie ihn gelehrt hat, die zur Sekte der friedfertigen Verborgenen zählte.
Er spürt auch rätselhafte Kräfte in sich erwachen, wie sie eigentlich nur der finstere Stamm besitzt, diese geheime Gilde aus Spionen und Attentätern: Ein übernatürlich scharfes Gehör, die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen.
Wusste Shigeru, sein Retter, von diesen Kräften? War es gar kein Zufall, dass er gerade rechtzeitig zur Stelle war, um Takeo das Leben zu retten?
Als Takeo seiner großen Liebe begegnet, der schönen Kaede, ist er längst tief in die Intrigen der mächtigen Clans verstrickt – und es scheint keinen Ausweg mehr zu geben …
Viele nach dem Gut-Böse-Schema konstruierte Fantasy-Romane haben eine entscheidende Schwäche: Die Leser sollen zu den Guten halten. Doch diese taugen nur selten als Identifikationsfiguren, verhalten sie sich doch viel zu edel, um glaubhaft zu sein. Da ist das perfide, egoistische Verhalten der Bösen weitaus erfrischender und glaubwürdiger …
Bei Lian Hearn ist das anders. Der Autorin gelingt es, gerade ihren „guten“ Hauptfiguren eine fürs Fantasy-Genre seltene Tiefe und Glaubhaftigkeit zu verleihen, wie sie da um eine bessere Welt ringen und sich trotz aller Gewalt ringsum ihren Mut und ihren Humor bewahren – und die Fähigkeit, sich am Leben und an der Schönheit einer Welt zu freuen, die die begnadete Erzählerin Hearn mit leuchtenden Details durchsetzt: Das Seufzen eines Schwerts, das gezogen wird, die feine Stickerei auf einem festlichen Gewand, der herbe Geruch der letzten Herbstblumen aus Shigerus Garten, das Schimmern einer glasierten Teeschale, das reine Weiß der Kirschblüten, Straßenstaub, Holzrauch, Mondlicht und goldener Sonnenuntergang.
Begnadet erzählt sind auch die Auftritte der Schurken des Romans, brutalen, beschränkten Kriegsherren, die harmlose Dorfbewohner jagen, ihre Gäste bei offiziellen Empfängen mit boshaften Bemerkungen entehren, ihre Launen an anderen auslassen, keinen Sinn für die Kunstschätze in ihren Tempeln und Schlössern haben. Keine Sekunde faszinieren sie – die Guten sind es, für die man brennt.
Das Schwert in der Stille: Man lernt viel – Menschenkenntnis, Sitten und Gebräuche des alten Japan. Und das Beste: Man lernt, ohne es zu merken. Denn vor allem will man wissen, wie es weitergeht. Gut, dass es noch weitere Bände gibt …
Lian Hearn: Das Schwert in der Stille.
8,99 Euro (eBook)
384 Seiten.
ISBN: 978-3-646-92064-2
Der Pfad im Schnee.
19,50 Euro (Hardcover).
384 Seiten.
ISBN: 978-3-551-58110-5
Der Glanz des Mondes.
19,50 Euro (Hardcover).
496 Seiten.
ISBN : 978-3-551-58111-2
Die Weite des Himmels.
22,00 Euro (Hardcover).
752 Seiten.
ISBN: 978-3-551-58171-6
Der Ruf des Reihers.
24,00 Euro (Hardcover).
800 Seiten.
ISBN: 978-3-551-58160-0
Die Otori-Saga ist erschienen im Carlsen-Verlag. Aus dem Englischen übersetzt von Irmela Brender, Salah Naoura (Der Glanz des Mondes) und Henning Ahrens (Der Ruf des Reihers).