Comics haben kein Niveau? Von wegen. Ein Bekenntnis zu den Abenteuern von Asterix, dem Gallier.
Zu meiner Familie, einem weit verzweigten Clan, müssten fairerweise auch Asterix, Obelix, Miraculix und das übrige gallische Dorf gerechnet werden …
Denn wir sind absolute Asterix-Fans. Auf Familienfesten nehmen Zitate aus Asterix-Heften ein Drittel der gesamten Gesprächszeit ein: „Ich lasse den Koch auspeitschen!“1 „Ah, die Stimme eines Predigers in der Wüste, wie?“2 „Du bist ein richtiger Marmorkratzer geworden!“3
Außenstehende auf Besuch werden nach Möglichkeit vorher informiert und meistens rücksichtsvoll vom allgemeinen Zitate-Wettlauf ausgenommen.
Allerdings ist unsere Asterix-Manie auch eine riesige Chance: Wer etwa bei uns einheiraten möchte, erobert unser aller Herzen im Sturm, indem er oder sie, zunächst heimlich, Asterix liest, um dann, beispielsweise, beim nächsten großen Treffen ein wenig zu spät zu kommen und auf Nachfrage ein lässiges „An den Kalenden sind die Straßen immer so verstopft!“4 in die Runde zu pfeffern.
Ohne Zweifel sind die Ursprünge dieser Asterix-Verehrung in der verkorksten, weil viel zu elitären Schulzeit meiner Tante und meiner drei Onkel zu finden: Altsprachliches Gymnasium, Lehrkräfte, die unverdrossen behaupteten, Julius Cäsar sei doch nach wie vor ein echtes Vorbild für die jungen Leute heutzutage. Und dann plötzlich diese neuen französischen Comics, tapfere Gallier und die Römer ein verpeilter Haufen – es muss die Offenbarung schlechthin gewesen sein (wäre mir zu der Zeit ein Asterix-Heft in die Finger geraten, verschlungen hätte ich es an Ort und Stelle, und wenn sie mich dafür in ihrem Schulkarzer fünf Zeitstunden lang gefoltert hätten).
Inzwischen ist der große René Goscinny schon lange tot und kann keine Asterix-Hefte mehr texten.
Damit ist natürlich auch der Asterix-Sprech meiner Familie, fast ausschließlich auf seinen Sprachwitz gegründet, langfristig gefährdet. Denn viele von Goscinnys Anspielungen werden für kommende Generationen nicht mehr durchschaubar sein: Dass unter den vielen gallischen Gottheiten, der besseren Übersicht halber durchnummeriert, auch die Schutzgöttin des Rheins zu finden ist, Bonna mit der Nummer 535 – wer versteht das noch, der die alte Bundesrepublik nicht mehr erlebt hat?
Vielleicht werden unsere jungen Neffen und Nichten mit der zweiten Runde Asterix glücklich, die bisher „Asterix bei den Pikten“ und das brandneue „Der Papyrus des Cäsar“ umfasst.
Ich konservative Bohne habe aber, zugegeben, doch irgendwie Bauchschmerzen bei diesen Fortsetzereien, obwohl beide Bände eigentlich ganz gut gelungen sind.
Irgendwie muss eine Sache, die so richtig gut war, doch auch einmal ein Ende finden, und finden dürfen …
Was wohl der weise Druide Miraculix dazu sagen würde?
Am besten verbleibe ich mit den Worten des Zenturios Aerobus, von plötzlicher Melancholie befallen: „Ich bin zu spät geboren, in einer zu antiken Welt.“6
1 Asterix bei den Schweizern.
2 Asterix als Legionär.
3 Asterix und die Normannen.
4 Streit um Asterix.
5 Der Seher.
6 Streit um Asterix.