englisch, Junge Leser

Celia Rees: Pirates!

An einem trüben Regentag sticht im Hafen von Bristol ein Dreimaster in See. Trüb wie das Wetter sieht es auch für die junge Nancy an Bord des Seglers aus: Nach dem Tod des Vaters schickt man sie ins ferne Jamaica, wo die Familie Ländereien besitzt, einer ungewissen Zukunft entgegen. Ob sie William, ihre wahre Liebe, je wiedersehen wird?

Aber vorbei die Zeiten, als junge, unglücklich verliebte Romanheldinnen passiv in ihre Taschentücher schluchzten. Nancy hat sich von ihrem Bruder das Fechten abgeschaut, sie kann reiten und auch mal in Notwehr eine Muskete abfeuern – die perfekten Voraussetzungen für eine Karriere als verwegene Piratin auf hoher See. Aber der Reihe nach.

Auf ihrer Reise nach Jamaica schildert man Nancy überschwenglich die Schönheit der karibischen Inseln: Das kristallklare Wasser, die weißen Strände … Doch kaum angekommen, zeigt sich auch schon das hässliche Gesicht dieses Paradieses. Ist es doch unter Sklavenhändlern üblich, an den Stränden in der Nähe der karibischen Handelshäfen den Teil ihrer Ware liegen zu lassen, den niemand kaufen wollte, weil zu alt oder zu schwach. So sterben auf dem weißen Sand zu Dutzenden alte Menschen und Kranke, mitten in der glühenden Sonne. „Wir müssen ihnen helfen!“ ruft die tief verstörte Nancy. Doch vom Kutscher, selbst schwarz und ein Sklave, kommt nur ein zutiefst resigniertes „Nein, Miss.“ Und sie fahren davon.

Auf dem Landsitz ihrer Familie, mitten in einer riesigen Zuckerrohrplantage, wird Nancy ihre persönliche Sklavin zugeteilt, die junge Miranda. Beide sind etwa gleich alt, und bald werden sie, obwohl das natürlich nicht gerne gesehen ist, enge Freundinnen.

Dann erfährt Nancy, dass ihre Familie plant, sie zu verheiraten. Sie kennt den Bräutigam: Es ist ausgerechnet Bartholomé, der sagenhaft reiche, grausame und skrupellose Sklavenhalter, der sein Vermögen nicht nur seiner riesigen Plantage, sondern auch einer dunklen Vergangenheit als Freibeuter verdankt. Sein Hochzeitsgeschenk, ein Kollier und Ohrringe aus prächtigen Rubinen, lässt Nancy erschauern, blitzen die Steine doch rot wie frisch vergossenes Blut an ihrem Hals.

Nancy flieht vor dieser Ehe, Miranda an ihrer Seite, die nicht länger als Sklavin leben will. Auf einem Piratenschiff finden sie Zuflucht und segeln von nun an unter dem Kommando des dandyhaften Gentleman-Piraten Broom über die Weltmeere.

Das freie, abenteuerliche Leben gefällt den beiden Mädchen. Kaum kann sich Nancy vorstellen, eines Tages nach England zurückzukehren.

Wäre da nur nicht Bartholomé, der Nancy nicht vergessen hat und seine finsteren Rachepläne schmiedet …

Das tiefe Rot der verfluchten Rubine, weiße Segel vorm blauen Tropenhimmel, blitzende Waffen, leuchtend bunte Piratenkluft – wenn es um Details geht, ist man bei Rees an der richtigen Adresse. Farbenprächtig stattet sie ihre Schauplätze aus und erweckt Nancys Heimatstadt Bristol mit den Hafenkneipen und Kontoren ebenso zum Leben wie das elegante, die Romane von Jane Austen heraufbeschwörende Bath oder den mit geraubten Reichtümern prächtig ausstaffierten Landsitz des schurkischen Bartholomé.

Da sieht es bei den Charakteren schon schlechter aus. Nicht, dass man sich mit Nancy gar nicht identifizieren könnte – aber ein wenig mehr Ecken und Kanten hätte sie, immerhin die Hauptfigur, durchaus vertragen. Und auch Miranda, die beste Freundin, bleibt bis auf ihren Mut und eine vage skizzierte Charakterstärke ziemlich blaß. Kein Wunder also, dass auch die Freundschaft zwischen den beiden eher Behauptung ist als reale Lese-Erfahrung, und ohnehin wird sie allzu schnell und problemlos geschlossen: Als ob es zwischen der reichen Nancy aus dem kühlen England und der als Sklavin aufgewachsenen Miranda nicht doch einige Gräben mehr zu überwinden gäbe.

Die Frage für den Leser ist also, ob oder wie sehr man sich von diesem Mangel an psychologischem Tiefgang stören lassen möchte. An das Niveau eines „Prinz Faisal“ reicht Rees einfach nicht heran – aber das war wohl auch gar nicht erst die Absicht. Rees will einfach gut unterhalten, für Romantik und Nervenkitzel sorgen, an fremde Schauplätze entführen, englische Lebenswirklichkeit des 18. Jahrhunderts mit Märchenelementen wie dem finsteren Bartholomé mit seinen blutigen Rubinen kombinieren, und nebenher tritt sie auch (ein wenig überdeutlich vielleicht) für die Selbstbestimmung junger Frauen und gegen Diskriminierung und Rassismus ein.
Und tatsächlich fügt sich all dies zu einer guten, prächtig unterhaltenden Mischung zusammen, die den Leser ordentlich in Piratenstimmung versetzt.
Wer auf den Geschmack gekommen ist, kann sich von der Autorin mit weiteren historischen Abenteuern verwöhnen lassen (http://www.celiarees.com/).

Die englische Ausgabe empfiehlt sich für alle, die ihre Englischlehrkräfte mit Vokabeln wie „swashbuckling“ glücklich machen wollen. Auf Deutsch ist „Piraten!“ im Verlag Bloomsbury Berlin erschienen.

Pirates: Perfekter page-turner für die Sommerferien.

Celia Rees: Pirates!
384 Seiten.
ISBN: 9781408810354 (eBook).
£ 6.99
Bloomsbury.

 

 

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