Leckere Auslage in Londons nobler neighborhood.
Übersicht, reihenweise, Sunday's choice

Sunday’s choice

Die nächste 80-Stunden-Woche dräut. Gegen den bitteren Alltag verteilt Sunday’s choice ausgewählte Pralinen aus dem Bücherregal an hungrige Leserherzen.

David Nicholls: Starter for Ten. Nordengland, die Achtziger. Brian Jackson beginnt sein Studium und ist voller Hoffnung, sein aknegeplagtes, schüchternes, im Arbeitermilieu geprägtes Selbst endlich abschütteln zu können und ab jetzt, an der Seite schöner Frauen, in welterschütternden, intellektuellen Einsichten zu schwelgen. Nichts davon passiert, leider. Stattdessen häufen sich Saufgelage, deprimierende Beinah-Beziehungen zu reichen Mittelschichts-Zicken und versiebte Hausarbeiten. David Nicholls lässt Jackson stellvertretend für uns alle Pleiten, Pech und Pannen erdulden, ganz ohne Häme, sondern klug und berührend. Und irre lustig.

Bov Bjerg: Auerhaus. Schwaben bei Reutlingen, die Achtziger. Vier Jugendliche, fast oder schon achtzehn, leben zusammen in einem Haus, ein zwar improvisiertes, aber auch von Eltern und Umfeld abgesegnetes Arrangement, weil als einziges geeignet, einen der Vier, den sensiblen, depressiven Frieder, stabil zu halten. Frieders bester Freund erzählt vom wilden Alltag in diesem „Auerhaus“, wo man trotz 10 Kilo Tiefkühl-Tsatsiki, „Madness“-Kassetten in Endlos-Schleife, Flucht vor der Bundeswehr, verhauenen Abiturprüfungen, Polizei in der Wohnung und einer Brandstifterin in der Scheune irgendwie erwachsen werden muss.

Zadie Smith: Swing Time. Der Hype um Elena Ferrante geht mir auf die Nerven. Ich setze dagegen „Swing Time“, das aus einer ganz ähnlichen Grundkonstellation – die Hassliebe zweier Freundinnen, das Entkommen aus einem der schlimmsten Viertel der Stadt – zu einer Reflexion gelangt über Arm, Reich, Schwarz, Weiß, Berühmt-Sein und Niemand-Sein, Erste und Dritte Welt. Die Liebe zum Tanz und zum Herz-Schmerz berühmter Musicals, die beide Hauptfiguren verbindet, dient als kluge erzählerische Klammer.

Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werther. Die trostlose kleindeutsche Provinz, das 18. Jahrhundert. Ein junger Mann, sensibel, klug, voller Träume und Temperament bringt es nicht fertig, seinen Frieden zu machen mit der Welt, in der er lebt. Allzu eng sind die Verhältnisse, allzu trübe sieht die Zukunft aus: Für ihn, nicht allzu reich und aus der falschen Gesellschaftsschicht, gibt es kaum eine andere Perspektive als eine Bore-out-Karriere im öffentlichen Dienst. Ein Hoffnungsschimmer ist die Liebe zur schönen, lebhaften Lotte. Aber sie steht kurz vor der Verlobung mit einem, der zwar langweilig ist, aber dafür einen sicheren Posten hat …

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