Wir wollen ja alle auch ganz konkrete Sachen.
Mein Mann möchte japanischen Whisky, mal endlich eine teure Gitarre statt dem Wimmerholz aus der Vorschule, und ein Pamazon-Trime-Abo.
Meine kleine Tochter möchte die Schnallen meiner Schlappen abschlecken, an meiner Brille kauen und eine gut gefüllte Brust in Saughöhe.
Ich selber will meine Zitronenverbene umtopfen und einen japanischen Kimono und ein cooles Café als Arbeitsplatz, wo ich dann meinen Laptop aufklappe und Kaffee trinke und Texte schreibe.
Verbene: kriege ich hin. Kimono: schwieriger, gibt’s hier nirgends, höchstens mal Secondhand in grotesken Übergrößen.
Aber ach, das Café als Arbeitsplatz.
Ich würd ja gern. Aber ich länger allein im Café, das geht nicht. Da komme ich mir vor wie unter einem grellen Scheinwerferlicht, bling bling bling. Meistens sind auch die guten Tische alle belegt, weshalb ich mich zwischen Klo und Theke in einen kalten Luftzug quetsche, der Hipster-Kellner versteht mein nervös gezischeltes „Cappuccino“ erst beim dritten Mal, wenn sich die Leute schon nach mir umdrehen, und dann auch noch den Laptop starten, oh Gott, ich will nach Hause.
Für ein introvertiertes Blümchen wie mich sind solche Erfahrungen der bittere Alltag.
In einem Selbsthilfebuch habe ich mal gelesen, Introvertierte sollten selbstbewusst ihre Stärken ausnutzen. Nach dem Kapitel „Wie sie introvertiert sein und trotzdem mit Ihrem Laptop stundenlang in einem coolen Café abhängen können“ habe ich vergeblich gesucht.
Es ist manchmal auch nicht so. Irgendwie hängt es mit Adrenalin zusammen. So geschehen am Münchner Hauptbahnhof, ich hatte einen Zug verpasst, war ihm hinterhergerannt, stand zornig am Gleis, dachte daran, dass ich jetzt einen Espresso brauche gegen den Ärger, stapfte in die nächste Bar, bestellte einen, trank ihn auf Ex aus, bestellte noch einen, haute die leere Tasse in den Unterteller, gab dem Kellner fettes Trinkgeld, hörte ein bisschen dem Radio zu und besah mir die anderen Gäste und stiefelte dann wieder raus ins Freie, und meine Sporen klirrten über den Boden, und der Cowboyhut auf meinem Kopf war der coolste im ganzen Wilden Westen.
Die Lösung wäre vielleicht, selber ein Café aufzumachen. (Die Lösung ist überhaupt immer, selber ein Café aufzumachen). „Schüchterne willkommen!“stünde am Eingang. „Hier guckt Sie niemand schief an, wenn Sie alleine an einem Vierertisch kampieren!“ Es gäbe Schummerlicht, um die Illusion von Unsichtbarkeit zu schaffen, und man könnte per App oder Mail Bestellungen aufgeben. Ja, warum eigentlich nicht!
Bis die schüchterne Kundschaft sich reintraut, kann ich ja im übergroßen Kimono meine Verbene gießen.