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„Why does it have to be fun?“

Ich werde immer dann sauer, wenn Leute vor meinem Bücherregal stehenbleiben und beim Anblick von Literatur zum 20. Juli, oder zum Vietnamkrieg, oder bei sowas wie „Unorthodox“ etwas in die Richtung von sich geben wie: „Das tust du dir freiwillig an? Also für mich wäre das ja gar nichts!“

Im Klartext: Dein armes, graues Leben will ich nicht geschenkt haben, du spaßfremde kleine Miesmuschel!

Eine mögliche Reaktion ist die pseudo-harmlose Tour, gerne mit unschuldig aufgerissenen Augen: „Wieso, also ich lese jeden Abend in ‚Heißzeit – wie Sie Ihre Familie am besten evakuieren'“, sonst kann ich nicht einschlafen!“

Oder der gute alte Gegenangriff: „Und du als GoT-Fan hast dir acht Staffeln voller abgeschnittener Köpfe/Brüste/Pimmel reingezogen, wie nennst du denn das?“

Oder man wirft diese Leute einfach raus und überlegt dann alleine für sich, dass sie gar nicht mal so unrecht haben.Mir kommt es beim Lesen tatsächlich nicht immer nur aufs reine Entertainment an. Häufig will ich einfach das Gefühl haben, etwas zu verstehen, und ja, das ist eine Form von Spaß, der guten, hellen, klaren Sorte.

Und keine Sorge, ich bin nicht mehr acht, lese wahllos wie ein Staubsauger, und meine Eltern müssen mich drei Tage lang trösten, weil ich Gudrun Kinderschreck Pausewangs „Die letzten Kinder von Schewenborn“ in die Finger gekriegt habe. Was ich nicht vertrage, also: wirklich nicht, das lege ich dann schon auch wieder weg. Bedauernd, häufig, weil mir klar ist, dass allein die Entstehung dieser Bücher ein Sieg war, und dass es den Rest der Welt als Leser dringend bräuchte. Aber ich bin nun mal zu zart besaitet für „Der Archipel Gulag“ – habe ich schon nach Kapitel eins aufgegeben, weil mir schlecht geworden ist – oder für „Anonyma – eine Frau in Berlin“. Oder, oder, oder.

Insgesamt finde ich, dass solche „Was-du-dir-bloß-antust“-Bemerkungen eine lustige Einstellung zu Büchern verraten. Sicher tragen wir Bloggerinnen einiges bei zum Lesen-als-puschliges-Mädchenhobby-Klischee (bunte Bücherstapel, Kaffeetassen, Katzen). Und klar habe ich auch einen netten Ohrensessel und steh auf bunte Kissen und rolle mich gern einmal mit einem Milchkaffee über „The Devil wears Prada“ zusammen (und hätte gerne eine Katze).

Aber wir alle wären doch keine echten Leserinnen, wenn es dabei bliebe. Es gibt Bücher, da kleckert man keinen Kaffee drüber. Es gibt Bücher, die brauchen unsere ganze Konzentration, unseren ganzen Ernst. „Why“, fragt der Choreograph Royston Maldoom die maulenden Schüler in „Rhythm ist It!“, denen es zu schwer wird, „why does it have to be fun?“

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