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Weltnaturkonferenz in Montréal

Morgen startet die 15. Weltnaturkonferenz im kanadischen Montréal, und Naturschützer weltweit hoffen auf ein konstruktives, verbindliches Abkommen – wobei wir natürlich alle auf ein konstruktives, verbindliches Abkommen hoffen sollten, von den aussterbenden Arten mal ganz zu schweigen. Wobei die das alles ja zum Glück nicht so ganz kapieren.
Grundsätzlich bin ich nicht so der Tierbuch-Typ. Wenn ich eine Katze hätte, würde ich sie lieber kraulen und sie nachts auf meinem Bauch schlafen lassen, warm und schnurrend, als ein Buch über sie zu lesen.
Aber ein paar interessante Bücher – oder Filme – rund um Tiere und Natur kann ich wirklich empfehlen.

Katherine Scholes: Sam`s Wal. Ein Junge und ein Mann retten in Australien einen gestrandeten Zwerg-Pottwal. So ruhig und schön erzählt wie die Wellen, die an den Strand rollen.
John Reynolds Gardiner: Steinadler. Ein Schlittenhunderennen irgendwo in den USA, viel Schnee, die Farmen isoliert und die Bewohner schweigsam. Ein kleiner Junge macht mit, um mit dem Preisgeld Opas Farm aus den Klauen der Steuerbehörde zu retten. Ein stiller Indianer macht mit, um sein Volk zu retten. Und Spürnase, Willys treue Hündin, rennt, was sie kann …
Uwe Timm: Rennschwein Rudi Rüssel. Eine fünfköpfige Familie, eine Tombola irgendwo auf dem Land, und prompt gewinnt die jüngste Tochter ein Ferkel. Rudi. Schlau, anhänglich, großartig. Wie man lebt mit so einem Tier, wie wir umgehen mit unseren Nutzieren, wie Familie funktioniert, wenn ständig ein Schwein dazwischenschnüffelt und das Geld fehlt („Mein Vater hat einen schwierigen Beruf, er ist nämlich Ägyptologe“); wie schön es ist, zusammen mit Mutter und Vater etwas Verbotenes zu tun und mithilfe von Rudi den bösen Vermieter zu ärgern – man will nur noch grunzen vor Vergnügen.
Jean Craighead George: Julie von den Wölfen. Julie, gerade einmal dreizehn Jahre alt, soll nach Inuit-Brauch verheiratet werden. Sie flieht in die Wildnis und lernt, in der arktischen Tundra zu überleben – indem sie sich einem Rudel Wölfe anschließt.

Into the Wild. Junger Mann will alleine nach Alaska und da leben, weit weg von unserer behämmerten Zivilisation. Der Film zeigt seinen Weg einmal durch die USA, und bis in die Wildnis. Und nicht wieder zurück. Und mehr verrate ich nicht.
Der große Trip – Wild. Eine junge Frau bewältigt ihre Traumata – zerbrochene Familie, Drogen, Tod der geliebten Mutter – auf dem Pacific Crest Trail, einmal durch die USA. Zu Fuß, mit Zelt und Rucksack. Ich wollte nur irgendwas gucken an diesem Abend, und dann war das ein herzzereißender Film, und mein Fernseh-Sofa wurde nass von Tränen. Das Drehbuch ist von Nick Hornby (der deutsche Untertitel zum Glück nicht).
Der mit dem Wolf tanzt. Ich mag diesen Film. Er glaubt fest daran, dass uns Menschen viel verbindet und wenig trennt, und dass man doch eigentlich über alles reden kann. Es geht auch viel um Sprache und Reden und Verständigung. Anscheinend ist eine Fortsetzung namens „The Holy Road“ geplant, ein Miniserien-Sequel, mit Viggo Mortensen in der Hauptrolle – bin mal gespannt, was daraus wird.
Urga. Ein russischer Kraftfahrer strandet in der Mongolei und verbringt ein paar Tage in der Jurte einer gastfreundlichen Nomadenfamilie. Mehr passiert eigentlich nicht. Heimliche Hauptrolle: Die mongolische Steppe, endlos, überwältigend. Leider ist der russische Regisseur, Nikita Mikhalkov, inzwischen völlig durchgeknallt (Ihr eisernen Köpfe/der Regen wird fallen/Und das Rostblütenlächeln/löst euch auf in Staub).

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American Dreams (8)

In meinem Bücherregal herrscht Partystimmung schon seit Tagen, die amerikanischen Titel geben einen aus, Geschichtsbücher tanzen mit Wörterbüchern, Romane mit Biographien, die Kinderbücher dürfen extra länger aufbleiben, es ist großartig.

Bei dem Lärm kann ich mich kaum auf die acht Titel meiner Wahl konzentrieren, die „American Dreams“ beenden sollen – in weitaus hoffnungsvollerer Stimmung als beim Start dieser Reihe vor vier Jahren.

Dorothy Canfield Fisher: Das allerbeste Apfelmus. Betsy, bei ihren überängstlichen Helikopter-Tanten aufgewachsen, verschlägt es zu entfernten Verwandten auf eine Farm in Vermont, über die sie bisher nur Schauergeschichten gehört hat. Völlig zu Unrecht: Durch die gütige, ruhige Art von Tante, Onkel und Kusine, die Betsy einfach machen lassen und ihr vieles zutrauen, wird aus dem ängstlichen Kind eine eigenständige, starke Person. Doch dann will ihre Tante sie wieder zurückholen … Als Kind bin ich ganz zufällig an das Buch geraten und habe es geliebt, ohne zu wissen, wie berühmt die Autorin, Aktivistin, Frauenrechtlerin, beste Freundin von Willa Cather, in den USA ist. Meinen Recherchen zufolge leider nur noch antiquarisch erhältlich.

John Reynolds Gardiner: Steinadler. Ein Schlittenhunde-Rennen, in dem es um alles geht. Mit dabei: Ein kleiner Junge und seine treuer Hündin Spürnase, die mit dem Preisgeld Großvaters Farm retten wollen. Ein schweigsamer Indianer, der für sein Volk kämpft. Und beim Showdown im Tiefschnee, kurz vor der Ziellinie, entscheidet sich alles …

Curtis Sittenfeld: Eine Klasse für sich. Ach, mal wieder so ein netter Teenie-Roman – dachte ich. Sittenfelds Internatsgeschichte lässt das weit hinter sich und schildert die Geschichte von Lee aus Indiana, die an der vornehmen Prep-School an der Ostküste einfach keinen Fuß auf den Boden kriegt zwischen all den reichen, selbstbewussten, von Geburt an auf Entscheidungsträger getrimmten Kids so klug und eindrücklich, dass man hinterher weiß: Das ist es, so war es, so fühlt es sich an.

Louise Erdrich: Ein Lied für die Geister. Wie weiterleben, wenn das Schlimmste passiert ist? Landreaux Iron, ein Ojibwa, erschießt auf der Jagd versehentlich den kleinen Dusty, den Sohn der Nachbarsfamilie. In der Verzweiflung besinnen sich die Irons auf eine alte Ojibwa-Tradition und übergeben ihren eigenen Sohn der trauernden Familie: Ab jetzt soll unser Sohn euch gehören! Vor dem Hintergrund des harten Alltags in der Reservation, wo es schwer hat, wer einfach ein normales (Familien-)Leben führen will, schildert Erdrich, wie durch diese brutale Entscheidung langsam ein Heilungsprozess in Gang gesetzt wird, der es den Figuren ermöglicht, schrittweise aus der Trauer zurück ins Leben zu finden. (Leider vergriffen, meldet der Verlag. Aber Ihr-wisst-schon-wo gibt es das bestimmt).

Jonathan Franzen: Schweres Beben. Rätselhafte Beben erschüttern in Franzens Roman nicht nur die Erde, sondern auch das Familienleben einer zerstrittenen Sippe: Familie Holland verliert die Großmutter bei einem Erdbeben, und nun ist der Streit ums Erbe im vollen Gang. Ob die Liebe zwischen Louis Holland und Renée, die als hartnäckige Seismologin gefährlich nah an die Ursache der Beben kommt, vor diesem Abgrund an Habgier, Eifersucht und offenem Hass überhaupt eine Chance hat? Ein Roman aus Franzens bester Zeit (inzwischen macht er mich, inklusive „Unschuld“ und schlecht fundierten Äußerungen zur Klimakrise, eher ratlos).

Ottesha Moshfegh: My year of rest and relaxation. Schön, jung und reich ist sie, die Hauptfigur, ein Abschluss in Kunstgeschichte, ein Apartment in Manhattan. Aber die innere Leere kann sie nicht füllen. Schritt eins: Nur noch rausgehen, um Kaffee bei Starbucks zu holen. Schritt zwei: Drogen. Rund um die Uhr, um endlich mal anständig schlafen zu können. Nach einem Jahr wird dann alles besser und anders sein … Aus meiner Sicht definitv ein Schocker, der amüsanten Art zwar, aber trotzdem. Bitte dazwischen eine Pause machen und irgendwas Nettes, Normales lesen, die aktuelle „Brigitte“ vielleicht:-)

Kein Buch, aber trotzdem (und bitte kein Wort davon an meine Bücher, für die ist „Netflix“ nämlich ungeliebtes Reizwort):

Dear White People. Die Netflix-Eigenproduktion setzt sich im bewusst albernen Sitcom-Stil damit auseinander, was es in den heutigen USA heißt, schwarz zu sein – und zwar, Schock!, aus der Perspektive der Schwarzen. Auf dem Campus einer Elite-Universität löst die Radiosendung „Dear White People“ der frechen Moderatorin Samantha White heftige Debatten aus. Nicht alles, aber wirklich das meiste ist überragend gut und lustig. Die Film-Crew kriegt wohl bis heute Morddrohungen. Welcome to reality.