Übersicht, englisch, erzählend, Junge Leser

American Dreams (8)

In meinem Bücherregal herrscht Partystimmung schon seit Tagen, die amerikanischen Titel geben einen aus, Geschichtsbücher tanzen mit Wörterbüchern, Romane mit Biographien, die Kinderbücher dürfen extra länger aufbleiben, es ist großartig.

Bei dem Lärm kann ich mich kaum auf die acht Titel meiner Wahl konzentrieren, die „American Dreams“ beenden sollen – in weitaus hoffnungsvollerer Stimmung als beim Start dieser Reihe vor vier Jahren.

Dorothy Canfield Fisher: Das allerbeste Apfelmus. Betsy, bei ihren überängstlichen Helikopter-Tanten aufgewachsen, verschlägt es zu entfernten Verwandten auf eine Farm in Vermont, über die sie bisher nur Schauergeschichten gehört hat. Völlig zu Unrecht: Durch die gütige, ruhige Art von Tante, Onkel und Kusine, die Betsy einfach machen lassen und ihr vieles zutrauen, wird aus dem ängstlichen Kind eine eigenständige, starke Person. Doch dann will ihre Tante sie wieder zurückholen … Als Kind bin ich ganz zufällig an das Buch geraten und habe es geliebt, ohne zu wissen, wie berühmt die Autorin, Aktivistin, Frauenrechtlerin, beste Freundin von Willa Cather, in den USA ist. Meinen Recherchen zufolge leider nur noch antiquarisch erhältlich.

John Reynolds Gardiner: Steinadler. Ein Schlittenhunde-Rennen, in dem es um alles geht. Mit dabei: Ein kleiner Junge und seine treuer Hündin Spürnase, die mit dem Preisgeld Großvaters Farm retten wollen. Ein schweigsamer Indianer, der für sein Volk kämpft. Und beim Showdown im Tiefschnee, kurz vor der Ziellinie, entscheidet sich alles …

Curtis Sittenfeld: Eine Klasse für sich. Ach, mal wieder so ein netter Teenie-Roman – dachte ich. Sittenfelds Internatsgeschichte lässt das weit hinter sich und schildert die Geschichte von Lee aus Indiana, die an der vornehmen Prep-School an der Ostküste einfach keinen Fuß auf den Boden kriegt zwischen all den reichen, selbstbewussten, von Geburt an auf Entscheidungsträger getrimmten Kids so klug und eindrücklich, dass man hinterher weiß: Das ist es, so war es, so fühlt es sich an.

Louise Erdrich: Ein Lied für die Geister. Wie weiterleben, wenn das Schlimmste passiert ist? Landreaux Iron, ein Ojibwa, erschießt auf der Jagd versehentlich den kleinen Dusty, den Sohn der Nachbarsfamilie. In der Verzweiflung besinnen sich die Irons auf eine alte Ojibwa-Tradition und übergeben ihren eigenen Sohn der trauernden Familie: Ab jetzt soll unser Sohn euch gehören! Vor dem Hintergrund des harten Alltags in der Reservation, wo es schwer hat, wer einfach ein normales (Familien-)Leben führen will, schildert Erdrich, wie durch diese brutale Entscheidung langsam ein Heilungsprozess in Gang gesetzt wird, der es den Figuren ermöglicht, schrittweise aus der Trauer zurück ins Leben zu finden. (Leider vergriffen, meldet der Verlag. Aber Ihr-wisst-schon-wo gibt es das bestimmt).

Jonathan Franzen: Schweres Beben. Rätselhafte Beben erschüttern in Franzens Roman nicht nur die Erde, sondern auch das Familienleben einer zerstrittenen Sippe: Familie Holland verliert die Großmutter bei einem Erdbeben, und nun ist der Streit ums Erbe im vollen Gang. Ob die Liebe zwischen Louis Holland und Renée, die als hartnäckige Seismologin gefährlich nah an die Ursache der Beben kommt, vor diesem Abgrund an Habgier, Eifersucht und offenem Hass überhaupt eine Chance hat? Ein Roman aus Franzens bester Zeit (inzwischen macht er mich, inklusive „Unschuld“ und schlecht fundierten Äußerungen zur Klimakrise, eher ratlos).

Ottesha Moshfegh: My year of rest and relaxation. Schön, jung und reich ist sie, die Hauptfigur, ein Abschluss in Kunstgeschichte, ein Apartment in Manhattan. Aber die innere Leere kann sie nicht füllen. Schritt eins: Nur noch rausgehen, um Kaffee bei Starbucks zu holen. Schritt zwei: Drogen. Rund um die Uhr, um endlich mal anständig schlafen zu können. Nach einem Jahr wird dann alles besser und anders sein … Aus meiner Sicht definitv ein Schocker, der amüsanten Art zwar, aber trotzdem. Bitte dazwischen eine Pause machen und irgendwas Nettes, Normales lesen, die aktuelle „Brigitte“ vielleicht:-)

Kein Buch, aber trotzdem (und bitte kein Wort davon an meine Bücher, für die ist „Netflix“ nämlich ungeliebtes Reizwort):

Dear White People. Die Netflix-Eigenproduktion setzt sich im bewusst albernen Sitcom-Stil damit auseinander, was es in den heutigen USA heißt, schwarz zu sein – und zwar, Schock!, aus der Perspektive der Schwarzen. Auf dem Campus einer Elite-Universität löst die Radiosendung „Dear White People“ der frechen Moderatorin Samantha White heftige Debatten aus. Nicht alles, aber wirklich das meiste ist überragend gut und lustig. Die Film-Crew kriegt wohl bis heute Morddrohungen. Welcome to reality.

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Übersicht, englisch, erzählend, Junge Leser

Marcus Sedgwick: My swordhand is singing

Eiskalt ist es in Sedgwicks Roman, der irgendwo weit im Osten spielt, Rumänien vielleicht, und es herrscht bitterer Winter, und es ist nicht mehr ganz das tiefe Mittelalter, aber von Aufklärung und Moderne kann auch keine Rede sein. Stattdessen Wald, schwarz-weißer Birkenwald, und tiefer Schnee, so weit das Auge reicht.

Wald kann Zuflucht bieten und im Frühling und Sommer wunderschön sein. Aber in Sedgwicks verfluchtem Winter mit der lauernden Stille zwischen den Bäumen wird er zur Todesfalle. Schon auf den ersten Seiten wird Blut in den weißen Schnee tropfen und es den ersten Toten geben. Und den ersten Untoten. Weiterlesen „Marcus Sedgwick: My swordhand is singing“

Debüts, englisch, erzählend

Chimamanda Ngozi Adichie: Purple Hibiscus

Nigeria, die 1990er Jahre. Die 15-jährige Kambili und ihr Bruder Jaja lieben ihren Vater – und sie fürchten ihn: Hinter der Fassade des jovialen Patriarchen verbirgt sich ein fanatisch frommer Tyrann.

Eines Tages gelingt es der warmherzigen Tante Ifeoma, die Geschwister für einen Kurzbesuch zu sich zu holen. Die wenigen Tage in ihrem fröhlichen Haushalt vermitteln der schüchternen Kambili und dem stillen Jaja zum ersten Mal im Leben eine Ahnung von einem freien Leben nach eigenen
Vorstellungen, ganz ohne Angst und Gewalt.
Und als sie der Vater wieder nach Hause holt, bringt es vor allem Jaja nicht mehr über sich, weiterhin den gehorsamen Sohn zu spielen … Weiterlesen „Chimamanda Ngozi Adichie: Purple Hibiscus“