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Ich pflanze ein Apfelbäumchen

Der gutaussehende Berufskiller ist für ein paar Tage auf meiner Couch aufgeschlagen, weil ihn seine neue Flamme rausgeworfen hat. Jetzt sitzt er dort herum, raucht demonstrativ melancholisch und hat keine Lust auf die Muffins, die ich ihm anbiete.
Als uns endgültig der Gesprächsstoff ausgeht, beschließen wir, die Bäumchen einzupflanzen, die mir Baumschule Frostmann & Hampel vor ein paar Tagen geliefert hat, fachgerecht in nachhaltige Holzwolle verpackt. Nach einigem Hin und Her fangen wir mit einem Bonsai-Zierapfel an, Malus „Pomzai“, maximale Wuchshöhe ein Meter fünfzig, für meinen schmalen Vorgarten ideal. Während ich im Schuppen nach Dünger und der letzten Komposterde grabe, schaufelt der gutaussehende Berufskiller routiniert ein Loch in den Boden.
„Was machen Sie denn da. Da soll ein Baum rein, kein Mensch.“
„Sorry. Bin einfach schon zu lange im Geschäft.“
Und schließlich steht das Bäumchen an seinem Platz, lächelt uns scheu an mit seinen rosa Blüten, und der gutaussehende Berufskiller verliert die Fassung. Kate Chopin schreibt in ihren Erzählungen darüber, wie anders Männer weinen als Frauen. Ich wünsche mir Chopin zu uns auf den schütteren Rasen, um sich den gutaussehenden Berufskiller anzusehen, wie er genauso männlich weint und ihm die Tränen lautlos über das schöne Gesicht rinnen.
Später am Tag steht er in meiner Bürotür, den schwarzen Rucksack über der linken Schulter. „Dann breche ich mal so langsam wieder auf.“
„Wo wollen Sie denn hin?“
„Verbotene Frage. Regel Nummer Eins.“
„Danke für Ihre Hilfe.“
„Kein Thema.“
„Ich schicke Ihnen ein Foto, wenn der Baum richtig blüht.“
„Nope. Dazu bräuchten Sie meine Kontaktdaten.“
„Die Sie nicht rausgeben.“
„Regel Nummer Zwei.“
Durchs offene Fenster kommen Stimmen. Radio. Die Nachbarn hören Nachrichten. Ich stelle mich taub. Er sich ganz offensichtlich nicht.
„Na dann.“ Er seufzt.
„Machen Sie mal bloß keinen Unfug,“ sage ich. Er starrt mich einen Moment an, und dann geht er einfach und dreht sich nicht mehr nach mir um.

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