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Schilf, Wasser

Das Ufer ist alles. Es folgt so sanft dem Wasserlauf, so freundlich, die lächelnde Kurve. Ich berühre mit einer Hand den aufrecht wachsenden Schilf, rechts von mir. Ich folge dem Ufer, ich sehe die Oberfläche des Wassers mir folgen, neugierig. Ich fühle mich schuldig, denn ich habe diesem Wasserlauf nichts zu erzählen, und das Wasser will doch immer etwas Neues hören!
Was willst du, frage ich die Wasseroberfläche, was kann ich dir sagen? Du hast so viel gesehen, während ich hier geblieben bin und nichts anderes tun kann, als die Schilfhalme zu berühren. Dem Wasser folgen. Es ist so freundlich, es ist so neugierig, es hat so viel gesehen. Was willst du von mir, flüstere ich, und die Frage verfängt sich im Schilf, das so gerade neben mir wächst, am Ufer, das sich langsam krümmt, wie im Schmerz. Das strömende Wasser, die sanfte Ruhe der Oberfläche, die Frage, die es mir stellt.
Als Kinder haben wir Boote gebaut, die nie geschwommen sind, immer sind sie gesunken, und unsere Eltern haben die Augen verdreht, als wir nach Hause gekommen sind mit nassen Schuhen, Socken, Hosen und Shirts. Wenn mir das Wasser jetzt in die Schuhe liefe, was würde ich tun? Der Weg nach Hause ist weit ohne Schuhe. Es wäre ein Weg mit nassen Füßen. All die Boote, die gesunken sind, Kinderboote, aus Baumrinde, aus Schuhkartons, aus alten Dosen und leergelutschten Sunkist-Packungen. Unten im Wasser liegen sie und hoffen auf nichts mehr.

Dieser Text ist im Rahmen eines vhs-Kurses entstanden, den ich leider nur anderthalb Male besuchen konnte. Trotzdem vielen Dank dafür.

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